Am 5. November 2023 wird Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Zimmermann 90 Jahre alt. Der Schmerz gratuliert Herrn Prof. Zimmermann ganz herzlich zu seinem Geburtstag und wünscht ihm alles Gute!

Herr Prof. Zimmermann, geboren am 5. November 1933, ist einer der maßgeblichen Mitbegründer der internationalen und deutschen Schmerzmedizin. Seine Verdienste werden in dem Editorial der Deutschen Schmerzgesellschaft gewürdigt (siehe Beitrag https://doi.org/10.1007/s00482-023-00763-0 in dieser Ausgabe). An dieser Stelle würdigen wir seine Verdienste für die Zeitschrift Der Schmerz, die er im Jahr 1987 zusammen mit Herrn Professor Dr. med. Hans Bergmann gegründet hat. Herr Prof. Zimmermann war 1987 Universitätsprofessor am II. Physiologischen Institut der Universität Heidelberg. Herr Prof. Bergmann war Anästhesiologe, Intensivmediziner und Transfusionsmediziner und bis 1986 in leitender Position am Allgemeinen Krankenhaus Linz tätig. Er wurde in sieben medizinischen Zeitschriften zum Herausgeber bestellt. Es gibt keine bessere Würdigung für die Verdienste von Herrn Prof. Zimmermann, als das weitsichtige Editorial in Erinnerung zu rufen, das Herr Prof. Zimmermann zusammen mit Herrn Prof. Bergmann im Juli 1987 zur ersten Ausgabe der Zeitschrift geschrieben hat.

M. Zimmermann, H. Bergmann, Der Schmerz (1987) 1:1–2 (Springer-Verlag 1987):

„Der Schmerz“ – eine Zeitschrift mit diesem Namen wurde bereits 1928 begründet, und zwar als gemeinsame Leistung des Heidelberger Pharmakologen Hermann Wieland, des Würzburger Gynäkologen Carl J. Gauß und des Hamburger Narkosearztes Ernst von der Porten. Diese „Deutsche Zeitschrift zur Erforschung des Schmerzes und seiner Bekämpfung“ bestand, ab 1929 mit einem erweiterten Titel, bis 1944. Nach unseren Recherchen handelt es sich dabei um die weltweit erste Zeitschrift, in der der Begriff Schmerz im Titel genannt wird! Wie die biographische Würdigung von Ernst von der Porten im vorliegenden Heft zeigt, war diese frühe Schmerzzeitschrift inhaltlich vor allem dem perioperativen Schmerz gewidmet, mit der Forderung nach der Anästhesie als ärztlichem Spezialgebiet. Nur gelegentlich haben sich Autoren und Herausgeber auch mit der Behandlung chronischer Schmerzen befaßt. Als Nachfolgezeitschrift für den Bereich des akuten Schmerzes gilt „Der Anaesthesist“, 1953 etwa gleichzeitig mit dem Fachgebiet Anästhesie in der Bundesrepublik Deutschland begründet. Nunmehr ist es, im Jahre des 5. Weltkongresses über Schmerz in Hamburg (Weltschmerzkongreß, 2.–7.8.1987) zur erneuten Gründung einer dem Schmerz gewidmeten Zeitschrift für den deutschen Sprachraum gekommen, das erste Heft von „Der Schmerz – Konzepte, Klinik und Forschung“ liegt vor Ihnen. Wie sehr haben sich jedoch seit 1928, besonders aber während der letzten 15 Jahre, die Auffassungen über den Schmerz in Medizin und Verhaltenswissenschaften geändert! Lange Zeit ein vernachlässigtes Gebiet in der Forschung und bei der ärztlichen Tätigkeit, wird heute die elementare Bedeutung besonders des chronischen Schmerzes in seinem vielfältigen Bezug zum menschlichen Leben mehr und mehr entdeckt: Der Schmerz als Ursache und Ausdrucksform des Leidens, der Schmerz als Sprache zwischen dem Patienten und seiner Umgebung, der Schmerz als Fluchtweg aus unbewältigten psychosozialen Situationen! Neue Ansätze zur schmerztherapeutischen Versorgung tragen diesem Wandel der Konzepte Rechnung, und auch die Schmerzforschung wird neuerdings verstärkt gefördert: so besteht seit 1985 bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein Schwerpunktprogramm „Nozizeption und Schmerz“, und – eine brandneue Nachricht – der Bundesminister für Forschung und Technologie hat gerade einen Förderschwerpunkt für klinische und anwendungsorientierte Schmerzforschung ins Leben gerufen (s. Abdruck der öffentlichen Ausschreibung in diesem Heft). Der Arzt hat während seiner langjährigen Ausbildung in vielen Fächern etwas über Schmerz und Schmerzbehandlung gelernt. Dabei wurden Schmerzen meistens als Symptome einer Krankheit gesehen, vordergründig auch wichtig für Diagnose und Heilungskontrolle dieser Grundkrankheit. Bei der praktischen Tätigkeit erfährt der Arzt dann jedoch, daß sich ein Großteil seiner Patienten mit Schmerzen nicht in die Kategorien einzelner medizinischer Fachdisziplinen einordnen lässt, daß die Schmerzbilder oft nicht den Schulbeispielen der Ausbildung entsprechen. So wurden allzuoft problematische Schmerzzustände als „therapieresistent“ eingestuft, oder die Patienten mit Schmerzen ohne erkennbare organische Ursache in die psychopathologische Ecke abgeschoben! Weitere Einsichten des sorgfältig beobachtenden Arztes sind, daß Patienten mit chronischen Schmerzen eine gute psychologische Abklärung und Betreuung brauchen, und daß bedeutende schmerzverstärkende Faktoren im sozialen Umfeld des Patienten ausgemacht werden können. Praktisch alle medizinischen Gebiete, einschließlich der Zahnmedizin, beanspruchen die Kompetenz zur Behandlung des Schmerzes – und das macht eigentlich seine Besonderheit aus. Er gehört zu allen Gebieten, er verbindet sie geradezu miteinander – der Schmerz ist ein fachübergreifendes Phänomen! So zeigen neuere Erfahrungen, zunehmend nunmehr auch im deutschsprachigen Raum, daß interdisziplinäre Behandlungsansätze besonders bei den problematischen Schmerzpatienten aus dem therapeutischen Nihilismus der „Therapieresistenz“ herausführen können. Doch genug der Reminiszenzen, den Leser interessieren vor allem die Intentionen der Herausgeber dieser neuen Zeitschrift. Unsere Ziele sind die folgenden:

  • durch Übersichts- und Methodenbeiträge die Ausbildung von Ärzten und Psychologen im Hinblick auf Schmerz und Schmerztherapie zu verbessern

  • ein Forum zu bieten für die Erörterung neuer, auch wissenschaftlich noch nicht etablierter Verfahren und Denkmodelle auf dem Gebiet des Schmerzes, sowie auch für Berichte und Anfragen zu Problempatienten mit Schmerzen

  • durch Veröffentlichung von Originalia auch zur Schmerzforschung beizutragen, ganz besonders zur entwicklungsbedürftigen klinischen und anwendungsorientierten Schmerzforschung.

Mit diesen breitgefächerten wissenschaftlichen und praktischen Inhalten möchten wir Ärzte, Psychologen und Vertreter anderer Heilberufe erreichen, die ein besonderes Interesse an Fragen des Schmerzes, der Schmerzbehandlung, der Schmerzforschung haben und auf diesen Gebieten selbst tätig sind. Aus den vorstehenden Erörterungen sollte insbesondere deutlich werden, daß der Schmerz und seine Behandlung alle ärztlichen Disziplinen betrifft; wir wünschen uns deshalb ganz besonders, daß unsere Zeitschrift zum interdisziplinären Vermittler von Wissen und Können unter Ärzten wird, mit dem Ziel, einer ganzheitlichen Auffassung des unter Schmerzen leidenden Menschen wieder nahe zu kommen. Wir danken allen Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, diese neue Aufgabe herausgeberisch mitzutragen, mit hoffentlich nicht nachlassender Begeisterung!

Heidelberg und Linz, im Juli 1987

M. Zimmermann und H. Bergmann

Das Editorial zeigt eine bewundernswerte Weitsicht, und vieles von dem, was M. Zimmermann und H. Bergmann geschrieben haben, ist heute Realität geworden. Herr Prof. Zimmermann und Herr Prof. Bergmann waren selbst in den Jahren 1987–1992 Schriftleiter von Der Schmerz. Sie wurden von den Professoren Doenicke, Jurna, Kossmann und Thoden maßgeblich unterstützt. Heute hat Der Schmerz eine Auflage von 4500 Exemplaren und konnte sich als die maßgebende deutsche Zeitschrift für Schmerzmedizin etablieren. Die von Zimmermann und Bergmann definierten Ziele werden aktiv umgesetzt.

Wir danken Herrn Prof. Zimmermann für seine langjährige Tätigkeit für Der Schmerz und wünschen ihm alles Gute.

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Prof. Dr. Lukas Radbruch

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Prof. Dr. Hans-Georg Schaible

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Dr. Paul Hermann